Das Wort
was ist das wort?
- ein nagel
es hält fest und macht doch
trotzdem ein loch
in das ding, das es sein will
und in die wand dahinter
auch noch
Der Abend
Da steht der Abend wie ein Dach
Geschmückt mit Sternen, Lichterketten
Hoch mir überm Schlafgemach
Unsren Nächten, meinen Betten
Der Abend blinkt
Ich denk an dich
Und dass das Leben weitergeht
Wie eine fremde Hand, die winkt
vom Rand, wo eine Leiter steht
Ein Held braucht Rüstung, Pferd und Schwert
Reitet so zum Regenbogen
Unsre Liebe war verkehrt
Man hatte uns belogen
Und angelockt und abgelenkt
Und was dafür gegeben?
Augen, Hände? - dies Geschenk
reichte nicht zum Leben
Du warst zu jung
Ich war zu wild
Und in der Mitte Wald
Und du warst dumm
und warm und mild
und fühltest dich schon alt
Ich zog dir manchmal fest am Arm
Hin zu meiner Queste
Das hat dir wohl zu weh getan
Denn ich zieh ziemlich feste
Den Ort, an dem wir zwei uns trafen
Haben wir erfunden
Den Bärenbau, das Schloss, den Hafen
Gab es für ein paar Stunden
Doch niemals zogen wir dort ein
Aus Angst, es könnt‘ uns schlucken
Und uns nicht mehr nach draußen lassen
Du fingst an, dich zu ducken
Du warst zu jung
Ich war zu alt
Und in der Mitte Regen
Und ich war dumm
Und frech und kalt
Und fühlte mich verwegen
Du ludst mir ein paar Steine auf
Da konnt ich nicht mehr tanzen
Und Konkurrenten war‘n wir auch
Im Großen und im Ganzen
In mir, da sind noch Jahre drin
Die Zeit im Zwischenreich
Die rieseln langsam aus mir raus
Und dir, denn wir sind gleich.
Da steht der Abend wie ein Turm
Und braucht eine Geschichte
Doch ich bin leer und denk an nichts
Mein Liebster:
ich verzichte.
Girlanden
etwas ratlos
doch nicht sehr
stehe ich im neuen morgen
beinahe nahtlos
komm ich her
aus dem tränental der sorgen
frisch geschält
und doch noch nicht verstanden
kann es sein
dass es jetzt einfach geht?
unter baldachinen und girlanden
fröstelt hoffnung
die uns nie verrät
die taufe kommt nicht aus dem hinterhalt
sie kündigt sich höflich vor jahren an
sendet brief nach brief über ihr kommen
bis man es selber nicht mehr glauben kann
doch eines schönen tages steht sie da
unschuldig löst sie ihr versprechen ein
und dann gießt sie wasser auf dein haar
spricht einen vers und murmelt einen reim
dann fliegt sie fort
du stehst mit nassen haaren
verloren auf dem bahnsteig deiner last
hast jetzt alles bei dir
und kannst fahren
wo du dich schon dorthin begeben hast
Horror
Wer hätte das gedacht
Wir haben’s uns doch selbst gezeigt
Es uns doch selbst gesagt
Es uns doch inszeniert
In zahllosen Geschichten
In zahllosen Gerüchten
Auf Bildern und auf Filmen
In Büchern und auf Tafeln...
Mit Fakten und mit Zahlen
Mit Liebe und mit Spaß
Mit Freiheit und mit Wahlen
Aus vorbei das war’s
Es ist nämlich zu spät jetzt
Einmal ist es halt
Ein für allemal
Zu spät
Der Horror kommt gekrochen
Und alle schämen sich
Das Weltrad liegt gebrochen
Im Schaum zu heißer Gischt
Angespült an Stränden
Einer kranken See
Zeugt stumm von den Enden
Vom Nichts, vom Tod, vom Schnee
In einer Atempause
Zwischen Ein und Aus
Sitze ich und schreibe
Schnell noch alles auf
Mein letztes Herz erzittert
Alles ist verloren
Mein ganzes Geschlecht schlittert
Wär ich doch nie geboren
In dieser Atempause
Seh ich mich nochmal um
Die Augen eurer Kinder
Bringen mich fast um
Kannibalen
Zwei Kannibalen
Da leuchtet der Mond, wir starren ihn an
er löst in uns noch Gefühle aus
Wir halten uns bei den Händen und glühen
und beben und dann gehen wir spazieren
Da liegt die weite Straße vor uns
im gleißenden Tageslicht
wir steigen beschwingt in den Wagen und fahren
auf der Rückbank schreib ich ein Gedicht
Und wenn die Nacht kommt schlafen wir kaum
sondern taumeln und fallen und lachen
wenn du mich in dieser Sekunde fragst
mit keinem anderen würde ich das hier machen
Alles ist im Überfluss hier
wir müssten´s nur greifen und greifen dann auch
ich vielleicht eine Katze, du ein anderes Tier
mit schwerer Brust und schwerem Bauch
Sind zwei Kannibalen, das weiss ich sehr gut
sei still
das Wort allein tötet den Zweck
Was wir verschlingen scheiden wir wieder aus
nichts bleibt, denn
wir sind defekt
lange hecke 49
als ich klein war gab es auch krähen
wo die wohl heute sind
liegen ihre kleinen knochen jetzt unter dem frisch gegossenen beton der neuhaussiedlung, die an die stelle gebaut wurde, wo einst unser haus stand
und was ist mit den vielen eisstielen
den ganzen hubbabubbaeinwickelpapieren
den holzbuntstiften aus dem mäppchen
wo ist mein bunter tornister
was ist mit den zerkratzten bobby-cars
wo ist das grüne telefon auf der anrichte hin
und wo die anrichte
was ist mit
der federboa meiner mutter
wo sind wohl die tennisbälle meines vaters
was ist mit der sammlung geo-hefte im weißen regal
und was mit dem regal
was wurde aus dem weißen flauschteppich aus dem wohnzimmer, den man immer so lange saugen musste
wo verstecken sich die belgischen blauweißen kacheln aus dem klo
wo ist eigentlich unser roter volvo v70
was wurde aus der roten plastikschaukel im garten
und
wie geht es meiner kleinen schwarzen
katze rasmus
heute
Ein Festivalsommer
Ode an Deutschland 2016
Das Zittern meiner Hände
zeigt wie die Dinge liegen
Denn von Vernunft und Arbeit
kann man kein Zittern kriegen
Ein breites Band aus fahlem Schein
liegt über allen Feldern
der Weizen biegt sich reif und schwer
Wind zittert in den Wäldern
Da stecken Fahnen schwarz rot gold
- wie Schirmchen im Filet -
am Dorfeingang, durch den man rollt
Gardinen, weiß wie Schnee
Da sitzen wir und lächeln mild
mitten auf der Straße
die durch dieses Deutschland führt;
sind fremd im höchsten Maße.
Ganz klein und zart ist unser Friede
Niemand hat ihn uns gegeben
er lebt von einer leisen Liebe
er lebt ein kleines, zartes Leben
So fahren wir weiter und hellgraues Licht
wirft einen Kegel auf die Szenerie
Der Horizont dort hinten öffnet sich nicht
Vielleicht nur heute nicht -
vielleicht nie
Rosa
Sie riechen es
Wie Tiere
Wittern es
Wenn sie dich nur sehen
Dass du keiner von ihnen bist
Nicht nötig ihnen mit der Verfassung vor der Nase herumzuwedeln
Nicht nötig überhaupt von Politik zu reden
Nicht nötig überhaupt zu reden
Denn sie riechen es
Zehn Kilometer gegen den Wind
Und ich gebe zu, mir war nicht klar
Dass es soviele sind
Ich gebe zu, dass ich diesem Land
Mehr zugetraut habe
Ich gebe zu, dass ich manchmal dachte
Dass es linke Paranoia gibt
Und dass man sich vielleicht nur missversteht
Da spuckt man mich an und
Reibt mir in mein Gesicht
Wie schlimm es steht
Dass man nicht mal mit der Verfassung zu wedeln braucht
Dass man nicht reden muss über Politik
Ein trauriges Lied reicht
Um sie völlig zu verstören
Um sie zu erinnern
An den Tod oder so was weiss denn ich
Kann es denn sein
Sind noch welche übrig
Sind die nachgewachsen
So alleine und verlassen
Hab ich uns nie empfunden
Alle sind wie wir - so dachte ich
Alle müssen doch so sein
So steht es immerhin in den Büchern
So hat man sich doch mal geeinigt
Man hatte mir eigentlich anderes erzählt
Ich war auf was anderes vorbereitet worden
Jetzt stelle ich Naivchen fest
Dass Menschen wie Ghandi
Oder Rosa Luxemburg
Die gesamte Zeit eines Menschenleben geben mussten
Um denen auch nur einen verdammten Zentimeter
Zu klauen
Scham
jede Hoffnung
wird zur Scham
jede Freude
wird zur Gram
jede Wurst
wohnt in der Pelle
ich sitz und dichte
auf die Schnelle
nehm alle Covid-Hilfen an
soviel
und -lange
ich‘s
noch
kann
Season II
Laue Luft wankt in mein Zimmer
raunt vom Ort, wo ich gewohnt,
altes Märchen, das mich immer
pünktlicher besuchen kommt
So weit, ganz weit fliegt meine Seele
so frei nimmt sie sich vorwärts aus
stößt dann an Stunden, die ich mühsam zähle
erlahmt
und weiss nicht ein noch aus...
Wenn das Jahresrad sich dreht,
zieht es mich mit nach hinten hin,
solange, bis mein Mund versteht
woher ich komme
was ich bin
Dieses Jahr dringt aus der Tiefe
das enge, alte Paradies
war hingelegt, als ob es schliefe
und harmlos ruhigen Atem blies
Erhebt sich jetzt grau wie die Geister
aus dünnen, graden Tagen waren
bald steig ich in den alten Kleister
bald dreh ich rückwärts meine Bahn
Der Schritt folgt stramm dem Duft der Tage
wie einer Droge, zwingend, stark
entscheidet sich selbst für die Plage
fürs warme Gestern, für den Sarg
Der Horizont türmt sich hoch auf
die Welt krempelt sich um konvex
nach oben fließt der Wasserlauf
der Mund schluckt seinen eignen Text
Ich lass mich los und fall sofort
in den lauen Sommerabend
von vor Jahren in den Ort,
den andere längst vergessen haben
erzählt von Fachwerkschlafgemächern
von Gassen, wo die Schritte hallen,
Schwalbennestern an den Dächern,
von süßer Ruh bei allen,
allem
Diese alte Welt greift an
sie ist mächtig wie ein Lied
ihr Henker legt mir Fesseln an,
die nur ein Eingeweihter sieht
Laue Luft wankt in mein Zimmer
raunt vom Ort, wo ich gewohnt,
altes Märchen, das mich immer
pünktlicher
besuchen
kommt
Winter
Es morgt und nervt und schmerzt ein wenig
Ist aber auch ein wenig schön
Am Rande dieses Tages lehn ich
Um mir alles anzusehen
All die Leute, hier im Leben
Wie sie mit mir Dinge tun
Wie wir uns in Gefahr begeben
Um uns danach auszuruhn
Silbrig bricht die Morgensonne
Die schon in Richtung Frühling drängt
Sich auch auf der Abfalltonne
Deren Glanz das Licht ablenkt
Hell wird’s auch im Hof dahinter
Ein Tag wie ein geputztes Ding
Dabei ist es doch noch Winter
Winter
in Neukölln
Berlin